Als ich
gestern einen kleinen Artikel in der Zeit online über den Londoner
Nebel, der zuweilen sogar den Flugverkehr lahm legt, las, erinnerte
ich mich plötzlich an ein Dufterlebnis, ja, eine Duftentdeckung, das
bzw. die ich mit einer bestimmten Londonreise verbinde.
Collage: Horex Ballo |
There
must be another Chanel
Kurz
nach den Weihnachtsfeiertagen stand ich vor vielen Jahren in einem
Duty Free- Shop am Frankfurter Flughafen. Die Reise sollte über
Silvester nach London gehen, mein damaliger Partner hatte uns vor
lauter Flugangst eine äußerst unruhige Nacht beschert. Voller
eigentlich freudiger Anspannung ob der anstehenden Tage in GBs
Hauptstadt aber auch todmüde und somit in einem Ungleichgewicht
zwischen Adrenalin und aufgedrehter Müdigkeit, entfloh ich dem
zitternden Etwas neben mir kurrzeitig und spazierte in den Shop.
Meine damaliger Lieblingsduft und der einzige, den ich trug war
Chanel No5. Überfordert ob der vielen angebotenen Marken und
Duftwässerchen steuerte ich das Chanel-Regal an, schließlich hatte
ich schon immer mal gucken wollen, was es außer der magischen Fünf
noch von Mademoiselle Chanels Hausmarke gäbe. Schwarz, eckig mit
weiß-goldenem Logo strahlte mich Coco aus dem Regal an und ich
erinnerte mich – ja, da gab es doch diesen Spot mit Vanessa
Paradies im Vogelkäfig! Also rauf auf die Hand damit und uih, ein
absolut anderes Kapitel als "le cinq".
Kleine Verwechslungskomödie: Orwell statt Ira Levin
Ich
bildete mir ein, einen Flakon von Coco im Film "The
Stepford Wives
" auf der Waschbeckenablage der Hauptfigur
Joanna Eberhart, gespielt von "meiner" angebeteten
Katharine Ross gesehen zu haben. Schon allein daher war Gegenwehr
zwecklos, Coco musste mit. Erst später habe ich meinen Irrtum
bemerkt, die Verfilmung von Brian Forbes stammt aus dem Jahr 1975,
Coco kam jedoch erst 1984 auf den Markt. Also definitiv jenseits von
Stepford ist Coco ein Kind aus Orwells Jahr und bietet ein
florientalisches Bouquet, das im Gegensatz zu Orwells 1984 keine
Alpträume und Beklemmungen auslöst.
Wie riecht Coco?
Blumig
fruchtig ist der Auftakt vor einem bereits zu erahnenden balsamisch-
harzigen, ja, orientalischen, Hintergrund. Die Leichtigkeit der
Orangenblüte, Pfirsich und tropischer Frangpani wird von den
hinzugefügten Aldehyden bestimmt, die im bekannten Schwesterduft No
5 so eine entscheidende Rolle spielen. Sie erinnern mich an schwarze
oder cremefarbene Spitze, päsent, doch transparent. Jasmin und Rose
gesellen sich leise und anmutig dazu und verbleiben wispernd im
Hintergrund. Gewürze – darunter Gewürznelke - und wagemutige
Harze treten leicht ledrig hervor und verbinden sich pudrig mit
Tonkabohne und dem in der Basis schnurrenden Patchouli und
Sandelholz. Schwarz, samtig und anschmiegsam wie eine ebensolche
Katze schleicht Coco immer wieder sanft um ihre Trägerin. Auch
Katzen sind nicht immer zu "verstehen", sind sehr
eigenwillig, sehr erhaben und bekanntermaßen Einzelgänger. Coco
besitzt die gleichen Eigenschaften, sie "erzählt" ihre
Geschichte nicht auf Anhieb, sondern gibt ihr Geheimnis nur zögernd
stückchenweise Preis.
Kein Crowdpleaser
Coco
riecht man im Alltag nicht oft, es ist kein "Crowdpleaser"
den sich hippe junge Frauen gegenseitig in Parfümerien aufsprühen
und vor Freude aufjauchzen. Diesen Duft habe ich wenn überhaupt,
dann stets an sehr speziellen Frauen gerochen, quer durch alle
Altersklassen. Coco-Trägerinnen scheinen im Stillen einen Vertrag
mit ihrem Duft eingegangen zu sein, der darauf beruht, nicht zu viel
Worte um das Offensichtliche zu machen, nämlich dass ein pudrig,
blumiger Orientale von erlesener Qualität weit über Modetrends
steht.
Coco im (duften) Kontext
Chanel
Coco wird häufig als "Antwort" des Hauses Chanel auf den
grandiosen Erfolg von Yves Saint Laurents Skandalduft Opium, der eine
Duft-Welle von intensiven orientalischen Düften auslöste, gewertet.
Ihn nur als "Modeduft" und Nachzügler zu bezeichnen, was
unter anderem dem weitaus unbekannteren Cinabar von Estee Lauder
beschieden war, wird Coco jedoch keinesfalls gerecht. Irgendwo habe
ich einmal gelesen, dass, wenn Opium Assoziationen zu
Marrakesch weckt, Coco eindeutig nach Venedig führt-. Ein Vergleich,
dem ich nur zustimmen kann, wobei es für mich nicht und das
hoffnungslos überlaufene Venedig, das die meisten von uns kennen ist, sondern das
der geheimnsivollen Masken und schweren Samtumhänge sowie der
nächtlichen Bälle in prunkvollen Palazzi ist.
Coco war
der erste Duft, der nach dem Tod von Coco Chanel unter der Leitung
des damals noch jungen Karl Lagerfeld lanciert wurde und gilt heute
als Klassiker. Auf der Chanel-homepage steht, Coco spiegele Gabrielle
Chanels Vorliebe "für das Barocke" wieder und vereine
Gegensätze wie Mademoiselle Chanel persönlich sie an den Tag legte.
So prägte Chanel einerseits einen sehr puristischen Modestil, ließ
ihre Neigung für barocke Ästhetik in die Gestaltung ihrer
Schmuckstücke und Accessoires sowie die Einrichtung ihres
Appartements einfließen.
In den
frühen 2000er Jahren, als ich ein früheres Lebenskonzept samt No5
hinter mir gelassen hatte, wurde ich zu endgültigen Coco-Konvertitin
- und bin es bis heute.
Kenn Ihr Coco von Chanel?
Bussis
Eure Coco- eh, Kangourette
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